Das Rundschreiben des Versorgungswerks vom 26.08.2021

I. Das Schreiben von "Neustart Versorgungswerk" vom 11./12.08.2021

Am 11.08. und am 12.08.2021, rund drei Wochen vor der Mitgliederversammlung 2021, haben eine Mitstreiterin, drei Mitstreiter und ich ein Rundschreiben verfasst und per E-Mail an uns bekannte Mitglieder des Versorgungswerks versandt.

Inhalt dieses Schreibens ist zunächst die Darstellung von berichtenswerten Vorgängen auf der Mitgliederversammlung vom 16.09.2020, deren Darstellung im offiziellen Protokoll der Versammlung bestenfalls als verkürzt, meines Erachtens sogar als entstellend zu bezeichnen ist. Dass die Protokolle der Mitgliederversammlungen, die auch der Information der nicht an der Versammlung teilnehmenden Mitglieder dienen, regelmäßig erst nach elf Monaten versandt werden und inhaltlich nicht verlässlich sind, ist ohnehin ein generelles Ärgernis.

Konkret wurde auf einer halben Seite berichtet, dass auf der Mitgliederversammlung 2020

  • darüber gesprochen wurde, ob der seit Jahren nicht angepasste Rechnungszins in Höhe von 3,5% angesichts der im selben Zeitraum erheblich gesunkenen Zinsen nur noch unter Inkaufnahme immer höherer Risiken zu erreichen sei; vergleichend wurde darauf hingewiesen, dass Lebensversicherungen ihren Kunden ab dem 01.01.2022 maximal noch eine Verzinsung von 0,25% garantieren dürfen,
  • vom Abschlussprüfer auf meine direkte, vom Vorsitzenden auch auf zweifache Nachfrage nicht beantworte Frage nach der (seinerzeit) aktuellen Risikokennziffer des Versorgungswerks bei Anwendung des ABV-Risikostufenmodells diese mit 197,62 mitteilte, was einer Einstufung des Versorgungswerks in die höchste von drei Risikostufen gleichkommt,
  • der langjährige Abschlussprüfer gegen den Willen des Verwaltungsausschusses nicht erneut bestellt wurde und
  • vom Verwaltungsausschusses der Antrag eingebracht wurde, die Satzung "klarstellend" dahingehend zu ändern, dass ein Mitglied des Verwaltungsausschusses solange im Amt bleibt, bis ein Nachfolger bzw. eine Nachfolgerin gewählt ist. Da nach der Satzung für eine Wahl in den Verwaltungsausschuss eine Dreiviertelmehrheit erforderlich ist, hätte es für die seinerzeit amtierenden Mitglieder des Verwaltungsausschusses genügt, durch die eigene Kandidatur eine Dreiviertelmehrheit des Gegenkandidaten zu verhindern, um im Amt zu bleiben. Faktisch wäre diese Regelung somit einer lebenslangen Postengarantie für die teilweise bereits seit 2001 amtierenden Mitglieder des Verwaltungsausschusses nahegekommen.

Weiter wurde in unserem Schreiben anhand mehrerer Punkte verdeutlicht, warum und in welcher Hinsicht wir das Versorgungswerk für grundlegend reformbedürftig halten:

  • die Satzung bedarf einer grundlegenden Überarbeitung; als Beleg reicht insoweit der Umstand, dass es aufgrund der satzungsrechtlichen Regelungen zur Wahl der Mitglieder des Verwaltungsausschusses auf inzwischen zwei Mitgliederversammlungen lediglich gelang, eine der fünf seit dem September 2020 vakanten Positionen im Verwaltungsausschuss neu zu besetzen,
  • die nach außen unbeschränkte Macht des Vorsitzenden des Verwaltungsausschusses, der einziger und damit alleiniger gesetzlicher Vertreter des Versorgungswerks ist, muss wirksam beschränkt werden,
  • eine der Größe des Versorgungswerks angemessene Organisation (einschließlich qualifizierten Personals) muss aufgebaut werden,
  • eine institutionalisierte Überwachungs- und Kontrollinstanz muss geschaffen werden, da der Verwaltungsausschuss derzeit keiner angemessenen internen oder externen Kontrolle unterliegt,
  • über die Kapitalanlagen und die eingegangenen Risiken muss den Mitgliedern transparent berichtet werden; die Darstellung im Geschäftsbericht ist in dieser Hinsicht nicht ausreichend.

Schließlich wurde unter Verweis auf die langjährigen Amtszeiten der seinerzeit als Mitglieder des Verwaltungsausschusses auftretenden Personen - mehr als die Hälfte von Ihnen gehörte dem Verwaltungsausschuss seit der Gründung des Versorgungswerks durchgängig an - postuliert, dass auch in personeller Hinsicht ein Neustart erforderlich sei.

II. Die Reaktion des Verwaltungsausschusses

Der - tatsächlich zu dieser Zeit mangels auch nur eines gewählten Mitglieds mitgliederlose und damit schon rein tatsächlich nicht handlungsfähige - Verwaltungsausschuss reagierte Ende August 2021 mit einem an alle Mitglieder versandtem fünfseitigen Schreiben.  

1. Lesen bildet - "Verteidigung" gegen nicht erhobene Vorwürfe

Konkret wurde das Schreiben versandt, um - so heißt es auf Seite 1 des Schreibens - zu den gegen den Verwaltungsausschuss erhobenen Vorwürfen Stellung zunehmen,

  • "er betreibe eine zu risikofreudige Kapitalanlage",
  • "die Präsentation des Kapitalanlageergebnisses sei intransparent" und
  • "die derzeitigen Mitglieder des Verwaltungsausschusses blockierten auf Grund einer überholten Satzungsregelung die Verjüngung des Gremiums."

Vielleicht wäre es sinnvoller gewesen, wenn die Personen, die sich trotz längst abgelaufener Amtszeit weiterhin als Organwalter sehen, sich unser Schreiben etwas aufmerksamer durchzulesen hätten, denn dann wäre ihnen möglicherweise aufgefallen, dass sie sich gegen tatsächlich gar nicht erhobene Vorwürfe verteidigten. Denn in unserem Schreiben

  • wurde lediglich darauf hingewiesen, dass auf der vorherigen  Mitgliederversammlung darüber diskutiert wurde, ob die Risiken der Kapitalanlagen zu hoch seien; eine objektiv den Tatsachen entsprechende Aussage, die schon deshalb geboten war, weil die entsprechende Darstellung im offiziellen Protokoll der Mitgliederversammlung mehr mit Dichtung als mit einer objektiven Darstellung zu tun hat,
  • wurde nicht behauptet, "die Präsentation des Kapitalanlageergebnisses sei intransparent".  Tatsächlich wurde in unserem Schreiben von der erforderlichen "Transparenz der Kapitalanlagen" gesprochen; Kapitalanlage und Kapitalanlageergebnis mögen für einen Laien zwar gleich klingen, sind es aber nicht,
  • wurde nicht von einer überholten Satzungsregelung gesprochen, sondern über den verkappten Versuch der Herren berichtet, von der Mitgliederversammlung eine schlicht undemokratische und geradezu perfide, sie selbst begünstigende Regelung in die Satzung einfügen zu lassen, nach der faktisch nur noch die Gegenkandidaten der amtierenden Mitglieder die für eine Wahl in der Verwaltungsausschuss erforderliche Dreiviertelmehrheit benötigen würden, denn die amtierenden Mitglieder sollten nach dem Vorschlag im Amt bleiben, bis ein Nachfolger mit Dreiviertelmehrheit gewählt wird; den amtierenden Mitgliedern hätte somit eine Einviertelminderheit genügt, um die Wahl eines Gegenkandidaten zu verhindern und im Amt zu bleiben,
  • wurde nicht von einer erforderlichen Verjüngung gesprochen; in unserem Schreiben ging es nicht um das Lebensalter, sondern um die Dauer der Zugehörigkeit zum Verwaltungsausschuss. Denn Ämter sind auf Zeit und sollten es auch stets sein. Spätestens wenn derjenige, der einen Posten lange innehat, auf seine Erfahrung verweist und damit eine überlange Amtsdauer, die in der Regel mit Stillstand und fehlenden Reformen einhergeht, eine fehlende Durchlässigkeit indiziert und zu einem Verlust der Demut vor dem Souverän führt, zu einem Qualitätsmerkmal stilisiert, sollte man hellhörig werden und sich fragen, ob es dieser Person wirklich um die Sache oder nur um sich selbst und ihr Ego geht.

2. Dichtung und Wahrheit - die Behauptungen des Versorgungswerks im einzelnen

a) Das Versorgungswerk schreibt:


"Die Behauptung, dass das Versorgungswerk nur unter Inkaufnahme immer größerer Risiken in der Lage sei, den Rechnungszins zu erreichen, wobei die Parallele zur Mindestverzinsung der Lebensversicherungen von 0,25 % gezogen wird, ist in hohem Maße irreführend. Zum einen müssen die Lebensversicherungen noch die Provisionen für ihre Versicherungsvertreter bezahlen, zum anderen auch Vorstandsgehälter und Dividenden. Trotzdem hat beispielsweise die Allianz Leben die gesamte Verzinsung für die Produktlinie "Perspektive" mit 3,4 % und für "Klassik" mit 3,1 % für das Jahr 2020 angegeben. Das zeigt, dass das Versorgungswerk gut gewirtschaftet hat, indem es in den letzten Jahren immer mindestens den Rechnungszins von 3,5% und darüberhinausgehend eine Dynamisierung von 0,5%— 1,0 % darstellen konnte."


(1) Richtig ist: Es werden steigende Risiken in Kauf genommen

Das Versorgungswerk ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen e.V. ("ABV"). Diese gibt für ihre Mitglieder u.a. einen "Leitfaden Risikomanagement" heraus, der vom Versorgungswerk angewendet wird. Basis jedes Risikomanagements ist naturgemäß die Beurteilung der vorhandenen Risiken. Zur Ermittlung der Risiken der Kapitalanlagen wird vereinfachend jede Kapitalanlage  anhand der Anlageform Risikokennziffer 1 (niedrigstes Risiko), Risikokennziffer 2 oder Risikokennziffer 3 (höchstes Risiko)  zugeordnet. Die Buchwerte der einer Risikokennziffer zugeordneten Kapitalanlagen werden addiert und in Relation zum Gesamtvermögen gesetzt. Dieser Prozentsatz wird mit der Risikokennziffer multipliziert, die drei Teilergebnisse für die drei Risikokennziffern werden addiert.

Bsp.: Die Kapitalanlagen betragen 200, davon 100 (=50%) mit RKZ 1 und 100 (50%) mit RKZ 3. Die Risikokennziffer beträgt dann 200 (50*1 + 0*2 + 50*3 = 50 + 0 + 150 = 200).

Die Risikokennziffer liegt immer zwischen 100 (= 100% mit Risikokennziffer 1) und 300 (= 100% mit Risikokennziffer 3), wobei der Wert 300 natürlich theoretischer Natur ist, weil die AnlV, der das Versorgungswerk unterliegt, gerade verhindern soll, dass zu riskant investiert wird.

Die Risikostufe des Versorgungswerks, nach der sich beispielsweise die Höhe der erforderlichen Eigenkapitalunterlegung richtet, ergibt sich wie folgt aus der Risikokennziffer: RKZ 100-140 = Risikostufe 1, RKZ 141-180 = Risikostufe 2, RKZ >181 = Risikostufe 3.

Die Behauptung, des Versorgungswerks zu sagen, es würden immer größere Risiken zur Erreichung des Rechnungszinses in Kauf genommen, sei "irreführend" - richtigerweise gibt es da eigentlich nur ein wahr oder ein falsch -, ist falsch. Dies zeigt die Entwicklung der Risikokennziffer im Zeitraum 2010 bis 2020. Das Versorgungswerk schlitterte innerhalb von sechs Jahren von der Risikostufe 1 in die Risikostufe 3, in der es seit 5 Jahren bei weiter steigenden Risiken festhängt (2010: RKZ = 122 (Risikostufe 1); 2016: RKZ = 181 (Risikostufe 3); 2020: RKZ = 199,5 (Risikostufe 3)).

(2) Richtig ist: Es wird keine Parallele zu einer Mindestverzinsung von 0,25% gezogen

Wird fortgesetzt...