Angemaßte Notgeschäftsführung
Die ordnungsgemäße Besetzung und Funktionsfähigkeit des Verwaltungsausschusses sind von elementarer Bedeutung für das Versorgungswerk, da der Verwaltungsausschuss die Geschäfte des Versorgungswerks führt (§ 4 Abs. 3 S. 1 RAVersG) und sein Vorsitzender das Versorgungswerk gerichtlich und außergerichtlich vertritt (§ 4 Abs. 3 S. 3 RAVersG).
Umso schwerer ist es nachzuvollziehen, dass der Verwaltungsausschuss seit über einem Jahr nicht ordnungsgemäß besetzt ist und das Versorgungswerk seitdem von dazu nicht legitimierten Personen im Wege einer angemaßten, tatsächlich nicht existenten Notgeschäftsführungsbefugnis geführt und vertreten wird.
Ergänzung [18.01.2022]: Nach heutigem Stand darf man wohl sagen "geführt und vertreten wurde", da das Hamburgische Oberverwaltungsgericht in einem von mir geführten Berufungsverfahren, in dem es um die Frage geht, ob ein bestimmter Satzungsänderungsbeschluss von der Mitgliederversammlung 2020 angenommen wurde, in einem Hinweis vom 17.01.2022 meine Rechtsauffassung bestätigt hat, das das Versorgungswerk in dem Verfahren nicht ordnungsgemäß vertreten ist, weil die Amtszeit des 2016 bestellten Vorsitzenden des Verwaltungsausschusses im September 2020 ablief, kein Nachfolger bestellt wurde und es in Gesetz und Satzung an Regelungen zur Notgeschäftsführung fehlt. Meines Erachten eine Ohrfeige für die fünf Herren, die sich angemaßt haben, ihr Amt über das Ende ihrer Amtszeit im September 2020 hinaus fortzusetzen und ohne erkennbare rechtliche Grundlage Entscheidungen für 10.000 Mitglieder zu treffen (Dr. Bonvie wurde nachfolgend (von der Mitgliederversammlung 2021) erneut in den Verwaltungsausschuss gewählt; allerdings wurde die Versammlung nicht ordnungsgemäß einberufen). Aber auch eine Ohrfeige für die Behörde für Justiz und Verbraucherschutz als Aufsichtsbehörde, die ich genau aus diesem Grunde unter dem 18.09.2021 aufgefordert hatte, für eine gerichtliche Bestellung von Notgeschäftsführern Sorge zu tragen, damit das Versorgungswerk schnellstmöglich wieder handlungsfähig wird, was von der Aufsichtsbehörde, die eigentlich schon längst von sich aus hätte tätig werden müssen, mit hanebüchener Begründung abgelehnt wurde.
1. Kein ordnungsgemäß besetzter Verwaltungsausschuss
Nach Gesetz und Satzung besteht der Verwaltungsausschuss aus fünf Mitgliedern (§ 4 Abs.3 S. 2 RAVersG, § 5 Abs.1 S. 1 der Satzung), die von der Mitgliederversammlung gewählt und gegebenenfalls abberufen werden (§ 4 Abs.2 S. 1 Nr. 2 RAVersG, § 4 Nr. 2 der Satzung). Dafür bedarf es jeweils einer Dreiviertelmehrheit, zudem müssen mindestens 100 Mitglieder anwesend sein (§ 3 Abs. 5 S. 2 der Satzung).
Eine diesen Anforderungen genügende Bestellung aller fünf Mitglieder des Verwaltungsausschusses erfolgte zuletzt durch die Mitgliederversammlung 2016. Da die Amtszeit eine Mitglieds des Verwaltungsausschusses vier Jahre beträgt (§ 5 Abs.1 S. 3 der Satzung), wäre ein neuer, ordnungsgemäß besetzter Verwaltungsausschuss durch die Mitgliederversammlung 2020 zu bestellen gewesen. Wenn dies pandemiebedingt nicht gelungen wäre [*], wären die 2016 bestellten Mitglieder bis zu einer Neuwahl oder ihrer Abberufung, längstens aber bis zum Ablauf des 31.12.2021 im Amt geblieben (§ 9 Abs. 4 RAVersG, Art. 15 iVm. Art. 2 Ziffer 2 des Gesetzes zur Erleichterung der Gremienarbeit aus Anlass der COVID-19-Pandemie und zur Schaffung der Voraussetzungen für Fördermaßnahmen im Hochschulbereich vom 26.06.2020 ).
Tatsächlich gelang es weder der Mitgliederversammlung 2020 noch der Mitgliederversammlung 2021 einen neuen Verwaltungsausschuss zu bestellen, ohne dass dies auf pandemiebedingte Gründe zurückgeführt werden kann.
a) Keine Bestellung auf der Mitgliederversammlung 2020
Im September 2020 liefen die Amtszeiten der Mitglieder des Verwaltungsausschusses ab. In drei durchgeführten Wahlgängen gelang es nicht, wenigstens die Position des Vorsitzenden des Verwaltungsausschusses zu besetzen, da in den zwei Wahlgängen kein Kandidat die dafür erforderliche Dreiviertelmehrheit erhielt. Bei der Auszählung des dritten Wahlgangs wurde festgestellt, dass nunmehr - es war bereits nach 22 Uhr - das für eine Wahl erforderliche Quorum von 100 anwesenden Mitgliedern nicht mehr erreicht wurde, weshalb die Wahlen abgebrochen werden.
Aufgrund der abgelaufenen Amtszeiten und des Umstandes, dass keine Nachfolger gewählt wurden und auch die Voraussetzungen für eine Verlängerung der abgelaufenen Amtszeiten nach § 9 Abs. 4 RAVersG nicht vorlagen, waren die fünf Positionen im Verwaltungsausschuss nunmehr vakant. Da es (dazu nachfolgend unter Ziffer 2) an Regelungen zur Notgeschäftsführung fehlt, ist das Versorgungswerk seitdem rechtlich nicht handlungsfähig.
b) Lediglich eine Bestellung auf der Mitgliederversammlung 2021
Auf der Mitgliederversammlung 2021 - der Verwaltungsausschuss war zu diesem Zeitpunkt bereits seit einem Jahr [*2] nicht mehr ordnungsgemäß besetzt und daher auch nicht handlungsfähig - wurden insgesamt elf Wahlgänge für die fünf offenen Positionen im Verwaltungsausschuss abgehalten, wobei lediglich der für de Position des stellvertretenden Vorsitzenden kandidierende Dr. Bonvie mit der erforderlichen Stimmenmehrheit in den Verwaltungsausschuss gewählt wurde. Die anderen vier Positionen konnten erneut nicht besetzt werden.
Die Frage, ob man überhaupt- wie auf der Mitgliederversammlung 2021 formal geschehen - einen stellvertretenden Vorsitzenden wählen kann, wenn unmittelbar zuvor die Wahl eines Vorsitzenden gescheitert ist, lasse ich an dieser Stelle offen. Das OVG Hamburg scheint daran ausweislich seines Hinweises vom 17.01.2022 auch seine Zweifel zu haben. Das mag aber dahinstehen, jedenfalls ist der Verwaltungsausschuss in seiner aktuellen Ein-Personen-Besetzung schon deshalb nicht handlungsfähig, weil er nur beschlussfähig ist, "wenn mindestens drei seiner Mitglieder anwesend sind" (§ 5 Abs. 2 S. 1 der Satzung), und Beschlüsse zudem "mit der Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder" gefasst werden (§ 5 Abs. 2 S. 2 der Satzung).
2. Keine Regelungen zur Notgeschäftsführung
Trotz und in Kenntnis ihrer abgelaufenen Amtszeiten und ihrer fehlenden Neubestellung haben die vormaligen Mitglieder des Verwaltungsausschusses ihre Tätigkeit im Verwaltungsausschuss auch nach Ablauf ihrer Amtszeiten fortgesetzt. Sie sind nach innen und außen zu Unrecht weiterhin als Mitglieder des Verwaltungsausschusses aufgetreten, haben ohne Legitimation die Geschäfts des Versorgungswerks geführt und haben - im Fall des vormaligen Vorsitzenden des Verwaltungsausschusses Weitzmann - das Versorgungswerk vertreten, ohne dazu berechtigt gewesen zu sein.
Was so selbstlos klingt und von einigen der Handelnden auch so gemeint gewesen sein dürfte - namentlich ist soweit Dr. Cadmus zu nennen, der bereits auf der Mitgliederversammlung 2019 sein Amt niedergelegt, dieses dann aber auf Bitte aus dem Mitgliederkreis vor dem Hintergrund, dass kein Nachfolger bestellt werden konnte, fortgesetzt hat (was rechtlich nicht möglich ist) - wäre allerdings nur zulässig, wenn sich aus dem Gesetz oder der Satzung eine Berechtigung ergäbe, das Amt ausnahmsweise über das Ende der Bestellungszeit hinaus weiter auszuüben.
Sowohl im RAVersG als auch in der Satzung fehlt es aber an einer solchen Regelung.
a) Regelungen im RAVersG
Im RAVersG findet sich keine Norm, die ein Mitglied des Verwaltungsausschusses berechtigt, das Amt über die Bestellungszeit von vier Jahren hinaus auszuüben.
Die ihrem Wortlaut nach einschlägige Regelung des § 9 Abs. 4 RAVersG war bis zum Ablauf des 31.12.2021 befristet und hätte daher allenfalls bis zu diesem Zeitpunkt Legitimationsgrundlage sein können. Trotz des vermeintlich passenden Wortlauts des § 9 Abs. 4 RAVersG
„Die Mitglieder des Verwaltungsausschusses und des Widerspruchsausschusses bleiben bis zu einer Neuwahl oder ihrer Abberufung im Amt“.
war diese Norm aber auch zu keiner Zeit einschlägig. § 9 RAVersG beinhaltete schon ausweislich der amtlichen Überschrift ("Übergangsbestimmung aus Anlass der COVID-19-Pandemie") Regelungen, die die Handlungsfähigkeit des Versorgungswerks für den Fall Corona-bedingter Situationen sicherstellen sollten. § 9 Abs. 4 RAVersG regelte dabei speziell den Fall, dass die rechtzeitige Neuwahl des Verwaltungsausschusses vor dem Ablauf der Amtszeit pandemiebedingt scheitert. Dies ergibt sich aus der Gesetzesbegründung aus dem Mai 2020, die sich wie folgt liest:
"[§ 9] Absatz 4 [RAVersG] bestimmt, dass die Mitglieder des Verwaltungsausschusses und des Widerspruchsausschusses bis zu einer Neuwahl oder Abberufung im Amt bleiben. Die Amtszeit des bisherigen Verwaltungsausschusses läuft ab. Er müsste in der turnusgemäßen Mitgliederversammlung im September 2020 neu gewählt werden. Eine Regelung über die Notgeschäftsführung gibt es bisher nicht. Für den Fall, dass infolge der COVID-19-Pandemie eine Neuwahl scheitern sollte, ist daher eine Regelung erforderlich."
[Bürgerschafts-Drs. 22/319, Seite 17, li. Sp.]
Vorliegend ist die Neuwahl der Mitglieder des Verwaltungsausschusses aber zu keiner Zeit an der Corona-Pandemie gescheitert. Die ordentlichen Mitgliederversammlungen 2020 und 2021 konnten trotz der Pandemie abgehalten werden und wurden es auch. Auf diesen Mitgliederversammlungen wurden auch Wahlen abgehalten. Allerdings erhielt auf der Mitgliederversammlung 2020 kein Kandidierender, darunter der dreimal - davon in den letzten beiden Wahlgängen ohne Gegenkandidaten - antretende seinerzeitige Vorsitzende des Verwaltungsausschusses Weitzmann, die nach der Satzung erforderliche Dreiviertelmehrheit. Die Wahlen wurden abgebrochen, als sich bei der Auszählung des dritten Wahlgangs herausstellte, dass zwischenzeitlich wegen der fortgeschrittenen Zeit weniger als 100 Mitglieder anwesend waren. Auf der Mitgliederversammlung 2021, der meinem Verständnis nach bis dahin bestbesuchten Mitgliederversammlung in der Geschichte des Versorgungswerks, konnte in diversen Wahlgängen lediglich der als Stellvertretender Vorsitzender kandidierende Dr. Bonvie die erforderliche Dreiviertelmehrheit erzielen.
Die Wahl des Kollegen Dr. Bonvie begegnet allerdings unter mehreren Gesichtspunkten rechtlichen Bedenken. Zum einen wurde bereits nicht ordnungsgemäß zu der Mitgliederversammlung 2021 geladen, da nach der Satzung nur der Vorsitzende oder (im Fall seiner Verhinderung) sein Stellvertreter zur Mitgliederversammlung laden dürfen. Beide Positionen waren aber zum Zeitpunkt der Einladung unbesetzt waren. Darüber hinaus wurden vor und auf der Mitgliederversammlung 2021 von einigen der ohne rechtliche Grundlage für das Versorgungswerk handelnden Personen Äußerungen getätigt, die massiv wahlbeeinflussend waren und die nach der Rechtsprechung des BGH zur Unwirksamkeit der Wahl führen. Schließlich fragt sich, wie ein Stellvertreter gewählt werden kann, wenn zum Zeitpunkt der Wahl keinen zu Vertretenden gibt.
Darauf kommt es aber letztlich schon deshalb nicht an, weil der Verwaltungsausschuss ein aus fünf Mitgliedern bestehendes Kollegialorgan ist, dass zu seiner Beschlussfähigkeit der Anwesenheit von drei Mitgliedern bedarf. Allein die Wahl des Dr. Bonvie ist daher nicht ausreichend.
b) Regelungen in der Satzung
In der Satzung findet sich lediglich eine Norm, deren Anwendung ihrem Wortlaut nach in Betracht kommt. Insoweit postuliert § 6 Abs. 4 der Satzung:
„Der Verwaltungsausschuss führt nach Ablauf seiner Amtszeit bis zur Übernahme durch den neu gewählten Verwaltungsausschuss die Geschäfte weiter.“
Auch diese Regelung beinhaltet aber keine Befugnis eines ausgeschiedenen Verwaltungsausschussmitglieds, seine Tätigkeit einfach über den Ablauf seiner Amtszeit hinaus fortzusetzen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die im Sommer 2020 erfolgte Einfügung von § 9 Abs. 4 RAVersG andernfalls schlicht überflüssig gewesen wäre. Zudem erfolgte die Einfügung von § 9 Abs. 4 RAVersG ausweislich der vorstehend wiedergegebenen Gesetzesbegründung ja gerade, weil es an einer Regelung über die Notgeschäftsführung fehlt, sodass § 6 Abs. 4 der Satzung auch keine Regelung zur Notgeschäftsführung darstellen kann.
Tatsächlich regelt § 6 Abs. 4 der Satzung die Situation, dass die Mitgliederversammlung bereits einen neuen Verwaltungsausschuss gewählt hat, wodurch die Amtszeit des bisherigen Verwaltungsausschusses automatisch endet. Für diese Situation sieht § 6 Abs. 4 der Satzung vor, dass die vormaligen Mitglieder des Verwaltungsausschusses die Geschäfte weiter führen (nicht: "im Amt bleiben"!), bis die neuen Mitglieder ihre Tätigkeit aufnehmen. § 6 Abs. 4 der Satzung beugt damit einer kurzzeitigen Führungslosigkeit im Fall eines bereits feststehenden Personalwechsels vor und setzt in seinem Anwendungsbereich eine bereits erfolgte (erfolgreiche) Neuwahl des Verwaltungsausschusses voraus. Gerade an dieser fehlt es vorliegend aber.
Dass § 6 Abs. 4 im Fall einer nicht erfolgreichen Wahl eines neuen Verwaltungsausschusses nicht einschlägig ist, ist den vormaligen Mitgliedern des Verwaltungsausschusses, die ein Jahr lang (vom September 2020 bis zum September 2021) als solche aufgetreten sind und größtenteils auch weiterhin trotz nicht erfolgter Wahl als solche auftreten, auch bekannt. Dies wird dadurch belegt, dass der - seinerzeit noch amtierende - Verwaltungsausschuss für die Mitgliederversammlung 2020 einen Satzungsänderungsantrag ankündigte, der (vorgeblich „klarstellend“) die Einfügung folgender Regelung in die Satzung vorsah:
„Ein Mitglied des Verwaltungsausschusses oder Widerspruchsausschusses bleibt bis zu einer Neuwahl oder der Abberufung im Amt.“
Diese vom seinerzeitigen Verwaltungsausschuss gewünschte, an § 9 Abs. 4 RAVersG angelehnte Satzungsänderung, die erkennbar den Zeitraum bis zur Wahl eines Nachfolgers regelt, macht aber nur Sinn, wenn man § 6 Abs. 4 der Satzung wie vorstehend dahingehend versteht, dass diese Norm lediglich die Zeit von der Wahl eines Nachfolgers bis zur Übernahme der Geschäfte durch diesen regelt. Andernfalls wäre die vom Verwaltungsausschuss angedachte Satzungsänderung überflüssig gewesen.
Gegen den angekündigte Satzungsänderungsantrag bestanden seinerzeit erhebliche Bedenken, die auf der Mitgliederversammlung 2020 deutlich zum Ausdruck gebracht wurden. So hätte die vorgeschlagene Änderung zur Folge gehabt, dass allein der Umstand, dass kein Nachfolger mit der erforderlichen Dreiviertelmehrheit gewählt wird, dazu führt, dass das Mitglied trotz abgelaufener Amtszeit im Amt bleibt. Selbst wenn ein Gegenkandidat 74,99% der Stimmen erhielte und niemand für den sich zur Wiederwahl stellenden Amtsinhaber stimmte, bliebe dieser im Amt. Faktisch würde damit die bloße Kandidatur des Amtsinhabers genügen, um im Amt zu bleiben, sodass die vom Verwaltungsausschuss vorgeschlagene Satzungsänderung tatsächlich einer Ewigkeitsgarantie gleichgekommen wäre.
Aufgrund der geäußerten Bedenken wurde der Satzungsänderungsantrag schließlich zurückgezogen.
3. Und was sollen die Mitglieder des Verwaltungsausschusses tun, wenn keine Nachfolger bestellt sind?
Die Antwort auf diese Frage ist eindeutig. Gesetz und Satzung ermöglichen es den Mitgliedern des Verwaltungsausschusses aus gutem Grund nur unter engen Voraussetzungen, über den Ablauf ihrer Amtszeit hinaus im Amt zu bleiben bzw. für das Versorgungswerk zu handeln. Eine eigenmächtige Fortsetzung des Amtes widerspricht dem grundlegenden demokratischen Grundsatz, dass wichtige Ämter nur auf Zeit vergeben werden und kann schwerwiegende zivilrechtliche und auch strafrechtliche Konsequenzen zur Folge haben (dazu nachfolgend). Dem sollte sich jeder Jurist bewusst sein.
Fehlt es - wie vorliegend - beim Ablauf der Amtszeit des Verwaltungsausschusses an bestellten Nachfolgern, wird der vormalige Vorsitzende zunächst gehalten sein, unverzüglich die Aufsichtsbehörde zu informieren, damit diese tätig werden kann. Das bloße Übersenden des Versammlungsprotokolls ist dazu nicht ausreichend. Die Aufsichtsbehörde wird dann über das weitere Vorgehen zu entscheiden haben, wobei es primär darum gehen wird, die Handlungsfähigkeit des Versorgungswerks sicherzustellen und sicherzustellen, dass schnellstmöglich Nachfolger von der (außerordentlich einzuberufenden) Mitgliederversammlung als einzig dazu legitimierten Organ bestellt werden. Die Aufsichtsbehörde wird, wenn sie gut beraten ist, dazu einen Antrag beim Verwaltungsgericht auf Bestellung der letzten Mitglieder des Verwaltungsausschusses zu Notgeschäftsführern mit der Auflage, für schnellstmögliche Neuwahlen zu sorgen, stellen; ob solch ein Antrag auch von den ehemaligen Mitgliedern selbst im Wege einer Art "öffentlich-rechtlicher actio pro socio" möglich wäre, ist eine akademische Frage, auf die es hier nicht ankommt.
Nehmen die ehemaligen Mitglieder des Verwaltungsausschuss stattdessen (wie vorliegend) die Amtsgeschäfte einfach über das Ende ihrer Amtszeit hinaus wahr, ist dies die falsche Wahl, die aber hinnehmbar sein dürfte und wohl auch hingenommen würde, sofern zeitnah eine außerordentliche Mitgliederversammlung zwecks Wahl eines Verwaltungsausschusses einberufen wird.
Letztlich geht es an dieser Stelle aber nicht darum, was die vormaligen Mitglieder des Verwaltungsausschusses hätte machen können, sondern darum, was sie getan bzw. nicht getan haben:
- sie haben nicht die Aufsichtsbehörde aktiv informiert, sondern
- sie haben nach der Mitgliederversammlung 2020 die üblichen Papiere (Jahresabschluss, Prüfungsbericht, versicherungsmathematisches Gutachten) bei der Aufsichtsbehörde eingereicht, wohlwissend, dass diese die Unterlagen wie üblich mehr oder weniger unbeachtet ablegen wird,
- sie haben erstmals im Januar 2022 - knapp eineinhalb Jahre nach Ablauf ihrer Amtszeiten - zu einer außerordentlichen Mitgliederversammlung geladen, obwohl die pandemische Lage dies vorher nahezu jederzeit zugelassen hätte und der Gesetzgeber zudem ja gerade wegen der Pandemie die bis zum 31.12.2021 befristete Möglichkeit eröffnet hatte, virtuelle Mitgliederversammlungen abzuhalten (§§ 9 Abs. 1, Abs. 2 RAVersG a.F.).
Im Ergebnis haben die fünf vormaligen Mitglieder des Veraltungsausschusses alles in dieser Situation Naheliegende unterlassen und ihre Amtszeit stattdessen einfach eigenmächtig in einem Fall um ein Jahr und in den übrigen Fällen um inzwischen weit über ein Jahr verlängert und sich dadurch angemaßt, ohne jede rechtliche Grundlage oder demokratische Berechtigung Entscheidungen für über 10.000 Mitglieder zu treffen.
4. Welche Konsequenzen ergeben sich für das Versorgungswerk und die Handelnden?
Ein vertretungsweise geschlossener Vertrag durch einen nicht zur Vertretung Berechtigten ist bekanntermaßen schwebend unwirksam; der Vertrag kann vom Vertretenden, vorliegend also dem Versorgungswerk, genehmigt werden, muss es aber nicht (§ 177 Abs. 1 BGB). Aufgrund eines nicht genehmigten Vertrags Geleistetes kann das Versorgungswerk vom Leistungsempfänger unter dem Gesichtspunkt einer ungerechtfertigten Bereicherung herausverlangen (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB). Zudem stehen dem Versorgungswerk ggf. Schadensersatzansprüche gegen die ohne Legitimation Handelnden zu, gleich ob diese als nicht berechtigte Geschäftsführer oder als nicht berechtigte Vertreter gehandelt haben. Sofern das Versorgungswerk eine D&O-Versicherung abgeschlossen hat, wäre zu prüfen, ob diese auch das Handeln Unberechtigter umfasst. Dies dürfte regelmäßig nicht der Fall sein.
Die zivilrechtlichen Gefahren der unbefugt Handelnden ergeben sich spiegelbildlich aus Vorstehendem. Wer als Vertreter ohne Vertretungsmacht einen Vertrag schließt, haftet zudem dem Vertragspartner in dem Fall, dass der Vertrag vom Versorgungswerk nicht genehmigt wird, nach dessen Wahl auf Erfüllung oder Schadensersatz (§ 179 Abs. 1 BGB).
Strafrechtlich besteht für die Handelnden die Gefahr einer Strafbarkeit unter dem Gesichtspunkt einer Amtsanmaßung. Dass (ordnungsgemäß gewählte) Mitglieder des Verwaltungsausschusses Amtsträger im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c) StGB sind, hat der BGH bereits im Fall des ehemaligen Mitglieds des Verwaltungsausschusses L., der Name wird aus datenschutzrechtlichen Gründen hier und nachfolgend nicht ausgeschrieben, entschieden (BGH, Urteil vom 09.07.2009, Az. 5 StR 263/08 = BGHSt 54, 39). Eine Strafbarkeit nach § 132 StGB ("Wer unbefugt sich mit der Ausübung eines öffentlichen Amtes befasst oder eine Handlung vornimmt, welche nur kraft eines öffentlichen Amtes vorgenommen werden darf, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft") für jedes nach Ablauf der Amtszeit erfolgte Handeln kann daher wohl nicht von vornhinein ausgeschlossen werden.
5. Und was macht die Aufsichtsbehörde?
Kurze Antwort: nichts. Die im September 2021 von mir informierte Behörde für Justiz und Verbraucherschutz hält ein Einschreiten für nicht erforderlich. Insoweit wurde mir von der Aufsichtsbehörde mit Schreiben vom 30.11.2021 mitgeteilt, dass sich aus § 9 Abs. 4 RAVersG ergäbe, dass die Amtszeiten der 2016 gewählten Mitglieder des Verwaltungsausschuss bis zur Neuwahl von Nachfolgern verlängerten, längstens allerdings bis zum 31.12.2021. Warum keine rechtzeitige Neubestellung erfolgte, sei in diesem Zusammenhang unerheblich, die fehlende Neubestellung müsse nicht auf die Covid-19-Pandemie zurückzuführen sein. Im Übrigen folge auch aus § 6 Abs. 4 der Satzung eine Legitimation der Mitglieder des Verwaltungsausschusses, ihre Tätigkeit jeweils bis zur Neubestellung ihres Nachfolgers fortzusetzen. Dass diese Begründung inhaltlich falsch ist, im Fall des § 9 Abs. 3 RAVersG a.F. sogar dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers vom Inhalt der Norm widerspricht, wurde bereits vorstehend ausgeführt.
Schließlich, so heißt es im Schreiben der Aufsichtsbehörde vom 30.11.2021 weiter, sei ein Einschreiten angesichts der auf den 02.02.2022 terminierten außerordentlichen Mitgliederversammlung, auf der über die entsprechenden Regelungen in der Satzung diskutiert werden solle, auch nicht geboten. Warum der Umstand, dass auf dieser Mitgliederversammlung die fristgerecht eingereichten Satzungsänderungsvorschläge zu besprechen sein werden, die frühestens bei der folgenden Mitgliederversammlung im September 2022 zum Tragen kommen werden, einer Beseitigung des seit nunmehr fast eineinhalb Jahren bestehenden Zustands, dass der Verwaltungsausschuss des Versorgungswerks nicht ordnungsgemäß besetzt ist, entgegenstehen sollten, wird das Geheimnis der Aufsichtsbehörde bleiben. Ohnehin wurde die Mitgliederversammlung vom 02.02.2022 Mitte Januar 2022 knapp eine Woche nach der Einladung pandemiebedingt abgesagt
6. Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
[Abschnitt neu eingefügt am 18.01.2022]: Gestern hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht mir in einem von mir geführten Verfahren, in dem es eigentlich um die Frage des Zustandekommens eines Satzungsänderungsbeschlusses geht. auf meine Rüge, dass das Versorgungswerk prozessual nicht ordnungsgemäß vertreten sei, einen Hinweis erteilt, der es in sich hat: Meine Berufung wird voraussichtlich zurückgewiesen, weil das beklagte Versorgungswerk zu keiner Zeit ordnungsgemäß vertreten war, also auch in der ersten Instanz nicht (in der ich die nicht ordnungsgemäße Vertretung ebenfalls bereits gerügt hatte). Grund ist, wie vorstehend bereits ausgeführt, dass die Amtszeit des zuletzt bestellten Vorsitzenden des Verwaltungsausschusses im Jahr 2020 ablief, seitdem kein Vorsitzender neu bestellt wurde und es im Gesetz und der Satzung an einer Regelung zur Notgeschäftsführung fehlt. Den lesenswerten Hinweis, der natürlich auf den Stellvertreter des Vorsitzenden und die einfachen Mitglieder des Verwaltungsausschusses übertragbar ist, die ihr Amt ebenfalls über das Ende der Amtszeit hinaus fortgeführt haben (Dr. Bonvie wurde anschließend auf der Mitgliederversammlung 2021 zum Stellvertreter des Vorsitzenden gewählt), findet der interessierte Leser hier. Passenderweise handelt es sich um das Verfahren, über das der seinerzeit zu Unrecht als Vorsitzender des Verwaltungsausschusses auftretende Rechtsanwalt Weitzmann auf der Mitgliederversammlung vom 02.09.2021 Unwahrheiten verbreitet hat.
Spannend ist, was nun passiert. Der Aufsichtsbehörde habe ich den Hinweis des Gerichts am heutigen 18.01.2022 mit der Aufforderung, zeitnah tätig zu werden, übersandt und auch die Geschäftsführerin oder Geschäftsstellenleiterin des Versorgungswerks (die genaue Position ist mir unbekannt) sowie die fünf Herren, die meinten, die Dauer ihrer Amtszeit selbst bestimmen zu können, über den Hinweis des Gerichts informiert.
Es bleibt abzuwarten, was nun passiert. Die für den 02.02.2022 terminierte außerordentliche Mitgliederversammlung soll, so wurde es mir heute mitgeteilt, abgesagt werden, mutmaßlich bereits wegen dem aktuellen pandemischen Geschehen, möglicherweise aber auch, weil nun feststeht, dass die Einladung des Verwaltungsausschusses unwirksam war.
[Update 12.02.2022:] Die auf den 22.02.2022 terminierte Mitgliederversammlung wurde inzwischen abgesagt. Die Absage erfolgte dabei durch den Kollegen Weitzmann, der diese in Kenntnis seiner fehlenden Vertretungsbefugnis ausdrücklich als Vorsitzender des Verwaltungsausschusses unterzeichnete. Nach aktuellen Informationen soll die Mitgliederversammlung am 29.03.2022 in der Fischauktionshalle nachgeholt werden. Meines Erachtens kann diese Versammlung nur stattfinden, wenn zuvor Notgeschäftsführer für die vakanten Positionen im Verwaltungsausschuss bestellt wurden, denn die Versammlung muss zwingend von einer dazu legitimierten Person einberufen und geleitet werden. Hier sehe ich die Aufsichtsbehörde in der Verantwortung, umgehend tätig zu werden. Tatsächlich wird dies wohl nicht, oder zumindest nicht zeitnah geschehen. Jedenfalls teilte mir die Aufsichtsbehörde unter dem 02.02.2022 mit, den OVG-Hinweis als inhaltlich falsch anzusehen; man sehe daher auch keinen Handlungsbedarf.
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[*] Das Tatbestandsmerkmal einer pandemiebedingt nicht rechtzeitig erfolgenden Wahl des Verwaltungsausschusses ergibt sich aus der Gesetzesbegründung, in der es heißt: "Die Amtszeit des bisherigen Verwaltungsausschusses läuft ab. Er müsste in der turnusgemäßen Mitgliederversammlung im September 2020 neu gewählt werden. Eine Regelung über die Notgeschäftsführung gibt es bisher nicht. Für den Fall, dass infolge der COVID-19-Pandemie eine Neuwahl scheitern sollte, ist daher eine Regelung erforderlich." (Bürgerschafts-Drs. 22/319, S. 17 li. Sp.)
[*2] Bis zum 26.02.2022 war an dieser Stelle versehentlich von zwei Jahren die Rede.