b) Vorschlag einer Wahlordnung

Wer sich den Entwurf der Wahlordnung anschaut und mit der bisherigen Durchführung der Wahlen zum Verwaltungsausschuss und zum Widerspruchsausschuss vergleicht, die teilweise das Niveau eines Kegelvereins haben, reibt sich die Augen, wie dezidiert Vorschriften zur Wahldurchführung sein können. Das muss natürlich kein Nachteil sein; im Gegenteil, eine Professionalisierung des Wahlvorgangs wäre auch ohne den hier bestehenden Anlass der vorgeschlagenen Einführung einer Vertreterversammlung wünschenswert. Namentlich wäre es generell sinnvoll, dafür zu sorgen, dass Wahlen so gut wie möglich neutral abgehalten werden. Insoweit ist es problematisch, wenn die Versammlung, auf der gewählt wird, von einem Kandidierenden geleitet wird, der zunächst in "amtlicher Eigenschaft" wahlweise über "seine" Erfolge und/oder die "falschen Argumente" der Gegenkandidaten redet. Dieses Niveau ist einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, deren Mitglieder amtierende und ehemalige Anwälte sind, unwürdig und sollte generell geändert werden.

Bei der von der Verwaltung vorgeschlagenen Wahlordnung ("WahlO-E") für die Wahl der Vertreter handelt es sich letztlich um eine handwerklich schlechte und nicht durchdachte Adaption der Wahlordnung für die Vertreterversammlung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte im Lande Nordrhein-Westfalen, die in ähnlicher Form auch von weiteren Versorgungswerken angewendet wird (beispielsweise beim RA-Versorgungswerk Hessen). Ob es sich insoweit um eine Muster-Wahlordnung handelt, ist nicht bekannt. 

Nachfolgend gehe ich lediglich auf die meines Erachtens bestehenden Unzulänglichkeiten der vorgeschlagenen Wahlordnung ein, wobei ich teilweise Aspekte, die ich bereits bei den Vorschlägen der Verwaltung zur Änderung des RAVersG genannt habe, wiederhole:

  1. Anzahl der Vertreter: § 9 Abs. 2 WahlO-E sieht 40 Vertreter vor. Diese Regelung ist angesichts der entsprechenden Regelung im ranghöheren § 4 Abs. 2 Satz 1 RAVersG-E lediglich deklaratorisch. Die Anzahl von 40 Vertretern erscheint angesichts der durchschnittlichen Teilnehmerzahl bei den Mitgliederversammlungen ambitioniert, da ein großer Teil der regelmäßig erscheinenden Mitglieder Vertreter werden müsste. Im Jahr 2008, als ebenfalls die Einführung einer Vertreterversammlung vorgeschlagen wurde, waren 15 Vertreter vorgesehen. Zum Vergleich: Die Vertreterversammlung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte NRW hat 30 Mitglieder; je 10 für jeden der drei Wahlbezirke Düsseldorf, Hamm und Köln.
  2. Fehlende Ersatzvertreter: Die Wahl von Ersatzvertretern im Rahmen den Vertreterwahl ist nicht vorgesehen. Das führt dazu, dass bei einem Wegfall eines Vertreters eine neue Briefwahl zur Wahl eines Nachfolgers abgehalten werden müsste; dies mangels abweichender Anordnung ggf. sogar kurz vor dem nächsten Wahltermin. 
  3. Stichwahl: Bei Stimmengleichheit mehrerer Bewerber für den letzten zu vergebenden Sitz in der Vertreterversammlung sieht § 9 Abs. 2 Satz 2 WahlO-E eine Stichwahl vor. Dies ist unpraktikabel und mit einem unverhältnismäßig hohem Aufwand verbunden. Es bietet sich eine Losentscheidung an.
  4. Inkompabilitäten: Eine Inkompabilität der Mitgliedschaft im Verwaltungsausschuss und im Wahlausschuss ist zwecks Trennung von Exekutive und Legislative erforderlich, aber nicht vorgesehen.
  5. Personenkreis der Mitglieder des Wahlausschusses: Dieser ist in § 3 Abs. 1 Satz 3 WahlO-E auf de wahlberechtigten und wählbaren Mitglieder des Versorgungswerks beschränkt. Da es insoweit keine nennenswerten Beschränkungen gibt, können selbst wegen Wahlbetrugs Verurteilte Mitglied im Wahlausschuss werden. Eine teilweise Öffnung auf Notare oder gar die Vorgabe, dass mindestens ein Mitglied des Wahlausschusses Notar sein muss, könnte sinnvoll sein.
  6. Wahl des ersten Wahlausschusses: § 3 Abs. 1 WahlO-E sieht vor, dass der erste Wahlausschuss durch die Mitgliederversammlung gewählt wird. Dies ist in der Sache nicht zu beanstanden, wäre aber genauso wie die Kompetenz zum Beschluss der ersten Wahlordnung, die ebenfalls bei der Mitgliederversammlung liegen muss, besser in den Übergangsvorschriften des § 8 RAVersG geregelt.


29.03.2022 - außerordentliche Mitgliederversammlung
I. Hintergrund der Versammlung
II. Fehler bei der Einberufung der Versammlung
III. Die Satzungsänderungs- und sonstigen Vorschläge
     1. Satzungsänderungsvorschläge des Dr. Hoff
     2. Meine Satzungsänderungsvorschläge
     3. Satzungsänderungsvorschläge des "Verwaltungsausschusses"
     4. Vorschlag des "Verwaltungsausschusses" zur Einführung einer Vertreterversammlung
          a) Vorschlag zur Änderung des RAVersG
      b) Vorschlag einer Wahlordnung
          c) Vorschlag zur Änderung der Satzung
IV. Die Redeker-Stellungnahmen zur Dauer der Amtszeit
     1. Hintergrund der Stellungnahmen
     2. Anlass der einzelnen Stellungnahmen
     3. Der Inhalt im Überblick
          a) Erste Variante - extensive "Auslegung" von § 5 Abs. 1 Satz 3 der Satzung
          b) Zweite Variante - restriktive "Auslegung" von § 5 Abs. 1 Satz 3 der Satzung
     4. Konsequenzen der Redeker-Interpretation 
V. Die Redeker-Stellungnahme zu fehlerhaften Beschlussfassungen
     1. Hintergrund meiner Beschwerde
     2. Die Redeker-Stellungnahme
     3. Was ist zu tun?