2. Die Redeker-Stellungnahme
Auf die Aufforderung der Aufsichtsbehörde vom 02.12.2021, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen, hat das Versorgungswerk- wie kann es anders sein? - die Sozietät Redeker mit der Erstellung einer Stellungnahme zu den dargelegten und eigentlich offenkundigen Fehlern beauftragt.
a) Ergebnis der Stellungnahme
Die 31-seitge Stellungnahme vom 23.03.2022 kommt in Rdnr. 2 zu dem Schluss:
„Die Auffassung des Beschwerdeführers, die der Anfrage der Aufsichtsbehörde vom 02.12.2021 zugrundeliegt - dass die monierten Beschlussfassungen der Mitgliederversammlung des Versorgungswerks wegen Verstoßes gegen die formale Beschlussanforderung in § 3 Abs. 5 Satzung (a.F.) unwirksam seien -, ist schon im Ausgangspunkt unzutreffend. Ein Verstoß gegen § 3 Abs. 5 der Satzung (a.F.) hätte nicht die Unwirksamkeit des betreffenden Beschlusses zur Folge, sondern allenfalls dessen Rechtswidrigkeit, welche die Wirksamkeit unberührt lässt.“
Nun denn. Die Erkenntnis, dass die Satzungskenntnis bei den vormaligen Mitgliedern des Verwaltungsausschusses nicht sehr ausgeprägt ist und die Aufsichtsbehörde trotz der offensichtlichen Fehlerhaftigkeit der Beschlüsse nicht tätig geworden ist, dürfte sich durch das Redeker-Ergebnis, die Beschlüsse seien nicht unwirksam, sondern lediglich rechtswidrig, kaum ändern.
Hinzu kommt, dass ich die Schlussfolgerung einer generellen Unwirksamkeit gar nicht gezogen habe, denn wie im Schreiben der Aufsichtsbehörde vom 02.12.2021 auf Seite 4 f. nachzulesen ist, lautet meine Schlussfolgerung wie folgt:
„Im Ergebnis
- wurde der aktuell amtierende Widerspruchsausschuss nicht ordnungsgemäß bestellt (Mitgliederversammlung 2020),
- wurde der von 2012 bis 2016 amtierende Verwaltungsausschuss nicht ordnungsgemäß bestellt (Mitgliederversammlung 2012),
- wurde der von 2012 bis 2016 amtierende Widerspruchsausschuss nicht ordnungsgemäß bestellt (Mitgliederversammlungen 2012 und 2015),
- wurde die Satzung dreimal auf unzulässige Weise geändert (Mitgliederversammlungen 2012, 2013, 2020),
- sind acht beschlossene Erhöhungen des Sterbegeldes unwirksam (Mitgliederversammlungen 2011, 2013, 2014, 2015, 2016, 2018, 2019, 2020),
- sind die beschlossenen Erhöhungen der Aufwandsentschädigungen der Mitglieder des Verwaltungsausschusses (Mitgliederversammlung 2015) und des Widerspruchsausschuss (Mitgliederversammlung 2019) unwirksam,
- wurden acht Abschlussprüfer unwirksam bestellt (Mitgliederversammlungen 2011, 2013, 2014, 2015, 2016, 2018, 2019, 2020).“
Ergänzt werden muss vorstehende Aufzählung dahingehend, dass die Sicherheitsrücklage fünfmal ohne Berechtigung erhöht wurde (2014, 2015, 2018, 2019, 2020).
Die Redeker-Stellungnahme verteidigt den vormaligen Verwaltungsausschuss also gegen Vorwürfe, die ich gar nicht erhoben habe.
b) Begründung
Die Begründung des Redeker-Stellungnahme ist eine Aneinanderreihung rechtlich unhaltbarer Aussagen und Annahmen, die in ihrem geballten Aufeinandertreffen wahlweise komplette juristische Ahnungslosigkeit oder - was wohl eher anzunehmen ist - das Fehlen von belastbaren Argumenten in der Sache offenbart.
- Zunächst wird in der Redeker-Stellungnahme zwischen Satzungen mit Außenwirkung und Satzungen unterschieden, die lediglich die interne Organisation eines Selbstverwaltungsträgers betreffen (Rdnr. 16), wobei suggeriert wird, die Satzung des Versorgungswerks sei eine „Innensatzung“, da sie lediglich Angelegenheiten der Selbstverwaltung des Versorgungswerks regle. Der rechtliche Ausflug endet damit, dass behauptet wird, vieles spreche dafür, dass Verstöße gegen die Satzung wie Verstöße gegen eine Geschäftsordnung zu werten seien, und ein Verstoß gegen die Geschäftsordnung des Bundestages im Gesetzgebungsverfahren führe nicht zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzes.
Richtig ist, dass die Satzung des Versorgungswerks keine reine Innensatzung ist. Sie wird aufgrund der vom Gesetzgeber eingeräumten Satzungsautonomie erlassen und konkretisiert in vielerlei Hinsicht die Vorgaben im RAVersG zu den einzelnen Organen des Versorgungswerks, deren Zusammenwirken sowie den Rechtsverhältnissen zwischen dem Versorgungswerk und seinen Mitgliedern. Sie stellt damit quasi die Verfassung des Versorgungswerks dar und bedarf aus diesem Grund zu ihrer Wirksamkeit - anders als eine Geschäftsordnung - der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde und wie jedes andere materielle Recht auch einer Bekanntmachung, vorliegend durch Veröffentlichung im Amtlichen Anzeiger. Eine Geschäftsordnung betrifft demgegenüber interne Regelungen, die sich ein aus mehreren Organträgern bestehendes Organ zwecks Selbstorganisation selbst gibt.
Falsch ist die Behauptung, Verstöße gegen die Satzung führten lediglich zur Rechtswidrigkeit, nicht aber zur Unwirksamkeit der Maßnahme. Wäre diese Redeker-Behauptung richtig, wäre jeder Verstoß gegen die Satzung faktisch folgenlos, da ja lediglich interne Regelungen verletzt wurden. Die Satzungsregelungen zum Schutz der Mitglieder wären damit reine Makulatur. Beispielsweise wäre die Wahl des Verwaltungsausschusses durch lediglich zwei anwesenden Mitglieder trotz des Verstoßes gegen das in der Satzung festgelegte Quorum von 100 anwesenden Mitgliedern nach der Redeker-Annahme ohne rechtliche Folgen, die Wahl also wirksam. Gleiches gilt nach der Redeker-Darstellung in dem Fall, dass ein Organ außerhalb seiner Kompetenzen handelt und damit zwangsläufig die Kompetenzen des eigentlich zuständigen Organs verletzt. Wirksam wäre nach dieser Lesart die in die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung fallende Wahl des Verwaltungsausschusses durch den Widerspruchsausschuss.
Dies ist hanebüchen und zeigt die Absurdität der Redeker-Darstellung. Richtig ist, dass ein Handeln durch ein falsches Organ stets die Unwirksamkeit der Maßnahme nach sich zieht. Deswegen ist ein allein vom Bundesrat oder ein vom Bundespräsidenten erlassenes Gesetz unwirksam. Ebenso ist beim Versorgungswerk die Wahl des Verwaltungsausschusses durch den Widerspruchsausschuss unwirksam, denn diese Kompetenz liegt nach der Satzung bei der Mitgliederversammlung. - Weiter wird in der Redeker-Stellungnahme behauptet, § 3 Abs. 5 Satz 3 der Satzung (a.F.) mit dem Wortlaut:
„In der weiteren Mitgliederversammlung können nur Beschlüsse zu § 4 Ziffer 1, soweit nicht eine Änderung der §§ 1 bis 9 beschlossen werden soll, Ziffer 3, Ziffer 4, Ziffer 5 und Ziffer 6 gefasst werden“,
ließe sich auch so verstehen, dass nur Beschlüsse, die unter die in der Aufzählung nicht genannten Ziffern des § 4 der Satzung fallen, nicht von einer weiteren Mitgliederversammlung gefasst werden können, alle anderen hingegen schon (Rdnr. 34). Diese Behauptung ist nicht nur falsch, sondern schlicht frei erfunden. Sie ist nicht, wie es nach der juristischen Methodenlehre erforderlich wäre, das Ergebnis einer Auslegung der Satzung, sondern eine bloße Behauptung, die einer Überprüfung durch Auslegung der Norm nicht standhält, denn tatsächlich scheitert dieses Verständnis der Satzung sowohl am Wortlaut des § 3 Abs. 5 Satz 3 a.F. als auch an dessen Sinn und Zweck.
Mit dieser Argumentation, mit der jeder Student der Rechtswissenschaften arge Probleme hätte, auch nur eine Übungsklausur im Grundstudium zu bestehen, wird anschließend begründet, warum zumindest die Beschlüsse, die Beschlussgegenstände betreffen, die der weiteren Mitgliederversammlung zwar nicht durch § 3 Abs. 5 Satz 3 a.F. zugewiesen sind, die aber auch im (nicht abschließenden) Kompetenzkatalog des § 4 der Satzung nicht genannt sind, wirksam sein sollen. Diese „Argumentation“ betrifft namentlich
- die Wahl des Abschlussprüfers in den Jahren 2011, 2013, 2014, 2015, 2016, 2018, 2019 und 2020,
- den Beschluss über die Anpassung der Aufwandsentschädigung der Mitglieder des Verwaltungsausschusses (2015),
- den Beschluss über die Anpassung der Aufwandsentschädigung der Mitglieder Widerspruchsausschusses (2019) und
- die Beschlüsse über die Erhöhung der Sicherheitsrücklage (2014, 2015, 2018, 2019 und 2020). - Wie weit man sich verbiegen kann, zeigt die anschließende Behauptung, der in § 4 Abs. 2 Satz 2 RAVersG geregelte Kompetenzkatalog der Mitgliederversammlung, der mit den Worten beginnt „[Die Mitgliederversammlung] beschließt über …“ sei grundsätzlich abschließend zu verstehen (Rdnr. 42), weshalb in diesem Katalog nicht aufgeführte Kompetenzen zwangsläufig beim einem anderen Organ des Versorgungswerks liegen müssten, wofür mangels weiterer Organe nur der Verwaltungsausschuss in Betracht komme (Rdnr. 43).
Richtig ist, dass in § 4 Abs. 2 Satz 2 RAVersG nicht abschließend ist. Es fehlt bereits im Wortlaut der Norm an einer Formulierung, die dazu führen kann, diese Aufzählung als abschließend anzusehen. Eine Abgeschlossenheit der Aufzählung ergäbe vor dem Hintergrund, dass die Mitgliederversammlung das zentrale Organ ist, bei dem im Ausgangspunkt alle Kompetenzen liegen, soweit sie nicht anderen Organe zugewiesen wurden, auch schlicht keinen Sinn.
Vorliegend führte dieses recht individuelle Verständnis der Norm beispielsweise dazu, dass die Kompetenz zur Bestellung des Abschlussprüfers beim Verwaltungsausschuss und damit ausgerechnet bei dem Organ läge, dessen Amtsführung (hinsichtlich des Jahresabschlusses) unabhängig überprüft werden soll. Dass sich der Geprüfte aber seinem Prüfer selbst aussucht, ist nicht nur ungewöhnlich, sondern auch sinnfrei. Im Übrigen würde diese Betrachtung, wenn sie denn richtig wäre, im Ergebnis ebenfalls bedeuten, dass die weitere Mitgliederversammlung nicht für die Bestellung des Abschlussprüfers zuständig war, die Bestellungen also fehlerhaft waren. - Vordergründig ist auch die Ansicht, dass eine weitere Mitgliederversammlung auch in Angelegenheiten zuständig sein müsse, in denen sich die Kompetenz der originär zuständigen Mitgliederversammlung nicht aus dem Katalog des § 4 der Satzung, sondern auch oder ausschließlich aus anderen Normen der Satzung ergibt. Am Beispiel des § 26 Satz 3, nach dem die Mitgliederversammlung die Kompetenz zur Festlegung des Sterbegeldes hat, wird argumentiert, da die weitere Mitgliederversammlung das Recht habe, § 26 Satz 3 zu ändern, müsse sie auch das Recht haben, einen Beschluss nach § 26 Satz 3 zu fassen.
Dies ist falsch. Eine weitere Mitgliederversammlung hat gerade nicht die Kompetenz, § 26 Satz 3 zu ändern. Dies folgt daraus, dass die Kompetenzzuweisung nach § 3 Abs. 5 Satz 3 Var. 1 a.F. („Beschlüsse zu § 4 Ziffer 1, soweit nicht eine Änderung der §§ 1 bis 9 beschlossen werden soll“) gerade darauf gerichtet ist, den ersten Abschnitt der Satzung, der die §§ 1 bis 9 umfasst und mit „Organisation“ überschrieben ist, von der Kompetenzzuweisung auf die weitere Mitgliederversammlung auszunehmen. Sinn und Zweck dieser Regelung ist, die Mitglieder vor Veränderungen der Organisation durch eine weitere Mitgliederversammlung zu schützen. Dieser Sinn und Zweck gebietet es, § 3 Abs. 5 Satz 3 Var. 1 a.F. dahingehend auszulegen, dass Organisationsnormen, die sich entgegen der Systematik der Satzung außerhalb der §§ 1 bis 9 befinden, von einer weiteren Mitgliederversammlung ebenfalls nicht geändert werden können.
29.03.2022 - außerordentliche Mitgliederversammlung
I. Hintergrund der Versammlung
II. Fehler bei der Einberufung der Versammlung
III. Die Satzungsänderungs- und sonstigen Vorschläge
1. Satzungsänderungsvorschläge des Dr. Hoff
2. Meine Satzungsänderungsvorschläge
3. Satzungsänderungsvorschläge des "Verwaltungsausschusses"
4. Vorschlag des "Verwaltungsausschusses" zur Einführung einer Vertreterversammlung
a) Vorschlag zur Änderung des RAVersG
b) Vorschlag einer Wahlordnung
c) Vorschlag zur Änderung der Satzung
IV. Die Redeker-Stellungnahmen zur Dauer der Amtszeit
1. Hintergrund der Stellungnahmen
2. Anlass der einzelnen Stellungnahmen
3. Der Inhalt im Überblick
a) Erste Variante - extensive "Auslegung" von § 5 Abs. 1 Satz 3 der Satzung
b) Zweite Variante - restriktive "Auslegung" von § 5 Abs. 1 Satz 3 der Satzung
4. Konsequenzen der Redeker-Interpretation
V. Die Redeker-Stellungnahme zu fehlerhaften Beschlussfassungen
1. Hintergrund meiner Beschwerde
2. Die Redeker-Stellungnahme
3. Was ist zu tun?